Viele unserer Patienten, die über lange Zeit in einem künstlichen Koma beatmet wurden, müssen das Atmen wieder neu erlernen.
Der Zeitraum der Entwöhnung vom Beatmungsgerät, auch "Weaning", kommt ursprünglich aus der Kinderheilkunde und bedeutet hier im englischsprachigen Raum die Entwöhnung von der Milchnahrung.
In unserem Fall bedeutet es das mühsame Trainieren der Atemmuskulatur mit dem Ziel, wieder selbstständig Atmen zu können. Unter der Aufsicht eines interdisziplinären Teams aus Intensivpflege, Ärzten, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden wird versucht, die Intervalle der Atmung ohne Beatmungsgerät auszudehnen und eine eventuelle Tracheotomie (Luftröhrenschnitt) rückgängig zu machen.
Unser Weaning-Zentrum ist das erste in Sachsen durch die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP) zertifizierte Zentrum. Das Ziel der Rückkehr in die häusliche Umgebung ist für uns maßgebend. Hierfür müssen oft neben dem Atmen auch das Sprechen, Schlucken und Gehen neu erlernt werden.
Für die Patienten stehen im Weaning-Zentrum 3 Intensiv-, 4 IMC- und bis zu 8 Betten zur Einleitung, Überleitung und Kontrollen der außerklinischen Beatmung zur Verfügung.
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Zum prolongierten Weaning können folgende Krankheitsbilder führen:
- Postoperative respiratorische Insuffizienz
- Postextubationsversagen
- Respiratorisches Versagen Typ I:
- hypoxämisches Lungenversagen bei
- Pneumonie
- Lungenembolie
- Lungenfibrose
- Atelektase
- Pneumothorax
- Lungenödem
- Respiratorisches Versagen Typ II:
- hyperkapnisches Lungenversagen bei
- Atemwegsobstruktion (COPD, Asthma bronchiale)
- thorakal-restriktiven Erkrankungen (Kyphoskoliose, OHS)
- neuromuskulären Erkrankungen (ALS, Muskeldystrophie)
- Atemantriebsstörungen (z.B. nach Schlaganfall)
Nach der aktuell gültigen Weaning-Klassifikation handelt es sich bei Patienten, die nach einer Woche Entwöhnung noch beatmet sind, um Patienten der Gruppe 3: prolongiertes Weaning.
Die Klinik für Pneumologie und Intensivmedizin verfolgt ein standardisiertes und qualitätsgesichertes Vorgehen bei Patienten in allen Phasen der Entwöhnung von der maschinellen Beatmung. Grundlage ist die S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin in ihrer zuletzt aktualisierten Fassung aus dem Jahr 2019 (Schönhofer B et al. Prolongiertes Weaning S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. Pneumologie 2019; 73: 723- 814)
Als Weaning bezeichnet man die Phase der Entwöhnung eines beatmeten Patienten vom Respirator, also einer maschinellen Atemunterstützung. Im Verlauf des Weaning-Prozesses erfolgt ein sukzessiver Wechsel der Atmungsarbeit vom Beatmungsgerät zur eigenen Atmung des Patienten, mit dem Ziel einer stabilen, dauerhaften Spontanatmung (Pfeifer M, Schönhofer B., Entwöhnung von der Beatmung (Weaning) – aktuelle Aspekte. Dtsch Med Wochenschr 2012;137:644–647).
Das integrierte Behandlungskonzept des Weaning-Zentrums erfolgt auf der Intensivstation (ITS) und der Intermediate-Care-Station (IMC; = Station für außerklinische Beatmung) der Klinik für Pneumologie und Intensivmedizin. In den erstgenannten Einheiten erfolgen die Diagnostik, Indikation, Einleitung und Verlaufskontrollen der Beatmungstherapie bei allen wesentlichen Grunderkrankungen. Obwohl der Charakter der Räumlichkeiten einer Intensivstation entspricht, werden alle Anstrengungen unternommen, den Patienten Individualität, Schutz der Privatsphäre, Lärmschutz sowie einen regelmäßigen Tag/Nacht-Rhythmus zu ermöglichen.
Die Klinik für Pneumologie und Intensivmedizin verfügt über eine Bronchoskopie-Einheit und ein 8-Betten-Schlaflabor, die beide wichtige Kooperationspartner sind. Am Klinikstandort sind die internistischen Disziplinen Gastroenterologie, (Akut)Geriatrie, Kardiologie, Hämatologie/Onkologie und Diabetologie/Endokrinologie vertreten, die im Rahmen des Konsildienstes eng in die Behandlung eines Patienten im Weaning-Prozess eingebunden werden können. Mit allen weiteren medizinischen Fächern des Klinikums (v.a. Rheumatologie, Neurologie, Psychiatrie) bestehen ebenfalls enge konsiliarische Kooperationen.
Die komplette Integration der Weaning-Einheit in die Klinik für Pneumologie und Intensivmedizin erlaubt die Umsetzung aller Kernerfordernisse der S2k-Leitlinie "Prolongiertes Weaning" in dieser Klinik. Das dortige Vorgehen
- zur Beurteilung der Weanbarkeit eines Patienten,
- zu Strategien im Weaning-Prozess,
- zu Sedierungsstrategien,
- zu Beatmungsformen im Weaning,
- zu Beatmungszugängen,
- zu adjunktiven Maßnahmen und auch
- zu Therapieentscheidungen am Lebensende
orientiert sich direkt an den Inhalten der Leitlinie.
Besonderer Wert wird auf die Einbindung der Angehörigen in den Werdegang des Patienten in der Weaning-Einheit gelegt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Schulung von Patient und Angehörigen. Schulungen erfolgen durch unsere Atmungstherapeutin (DGP), die Ärzte, das Pflegepersonal und die Physiotherapeuten. Beratungen finden durch alle beteiligten Professionen statt.
Zusätzlich besteht eine enge Einbindung unseres Sozialdienstes, inbesondere zur Planung der nachstationären Betreuung und Versorgung unserer Patienten.
Durch die Teilnahme am Weaning-Register der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. kann ein Benchmark mit ähnlich strukturierten Einheiten erfolgen, was als einer der wichtigsten Faktoren der Qualitätssicherung verstanden wird.