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23.04.2015 16:51

Neue Hoffnung für Patienten mit seltener Hirnstoffwechselerkrankung

Paris - Barcelona - Wermsdorf: Spezialambulanz des Fachkrankenhaus Hubertusburg veranlasst internationale Studie

Neue Hoffnung für Patienten mit seltener Hirnstoffwechselerkrankung

v. l. n. r.: Dr. med. Piotr Sokolowski, Leitender Oberarzt der Klinik für Neurologie und neurologische Intensivmedizin, Studienteilnehmer Greg Allsup und Wolfgang Köhler, Chefarzt der Klinik für Neurologie und neurologische Intensivmedizin.

Die Klinik für Neurologie und neurologische Intensivmedizin am Fachkrankenhaus Hubertusburg in Wermsdorf ist Mit-Initiator der weltweit ersten internationalen Therapiestudie für Patienten mit der seltenen Hirnstoffwechselerkrankung Adrenoleukodystrophie (ALD) bzw. Adrenomyeloneuropathie (AMN). Die genetisch bedingte Erkrankung der weißen Hirnsubstanz verursacht einen schnellen Verfall der Nervenzellen und ist bisher nicht heilbar. Die Mediziner der Spezialambulanz für Multiple Sklerose und leukodystrophische Hirnerkrankungen in Wermsdorf erhoffen sich durch eine neue Therapiemethode entscheidende Fortschritte bei der Behandlung von ALD und AMN.
„In unserer neuen Studie soll die Wirksamkeit und Verträglichkeit von hochdosiertem Biotin untersucht werden. Das Biotin ist ein Vitamin das normalerweise mit der Nahrung aufgenommen wird. Im Rahmen der Studie erhalten die Patienten eine hundertfach erhöhte Dosis“, erläutert der Chefarzt der Klinik für Neurologie Wolfgang Köhler die Vorgehensweise. Die hohen Dosen des Biotins könnten die Funktion des Energie- und Fettstoffwechsels der geschädigten Nervenleitfasern (Axone) verbessern. „Dadurch erhoffen wir uns, die Beweglichkeit der Patienten wieder herzustellen und ihre Schmerzen zu lindern“, so der Mediziner.

Die Studie im Detail
Es ist vorgesehen, 60 Patienten mit Adrenomyeloneuropathie in vier teilnehmenden Prüfzentren aufzunehmen. Dazu zählen neben dem Fachkrankenhaus Hubertusburg in Wermsdorf das Hôpital Bicêtre Paris-Sud und das Hôpital de la Pitié-Salpêtrière in Paris sowie das Neurology Department of Llobregat in Barcelona. Die Studiendauer ist auf 24 Monate angesetzt, in deren Verlauf eine nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Gruppe mit 20 Patienten ein Placebo erhält. Die zweite Gruppe mit 40 Patienten bekommt täglich Biotin (MD1003). Nach 12 Monaten erhalten alle Patienten das Medikament für die Restdauer der Studie. Im Anschluss beurteilen die Fachärzte die Wirksamkeit der Behandlung u.a. durch Gehtests und MRT-Untersuchungen des Gehirns.
„Das Interesse unter den Betroffenen ist so groß, so dass wir auch zahlreiche Anfragen bezüglich einer Teilnahme aus dem Ausland erhalten. Einer der ersten eingeschlossen Studienteilnehmer ist Herr Allsup – ein Kalifornier aus San Diego, der in den nächsten zwei Jahren sieben Mal zu den erforderlichen Untersuchungen nach Wermsdorf kommen wird“, erklärt der Chefarzt.

Langjährige Erfahrung in der Behandlung seltener Nervenkrankheiten
Die Klinik für Neurologie in Wermsdorf gehört zum Klinikum St. Georg und behandelt seit über 15 Jahren unter der Leitung von Chefarzt Wolfgang Köhler Patienten mit genetisch bedingten Erkrankungen der weißen Hirnsubstanz (Myelin). Die Spezialambulanz für Multiple Sklerose und Leukodystrophie ist Mitglied des bundesweiten Kompetenznetzwerkes LEUKONET und betreut Patienten aus dem ganzen Bundesgebiet. Da es sich um seltene und wenig erforschte Krankheitsbilder handelt, stellen sich auch zahlreiche Patienten aus dem Ausland, wie der Schweiz, Österreich, Italien, Polen, arabische Länder, Iran oder Weißrussland bei den Wermsdorfer Spezialisten vor.

Hintergrund
ALD beginnt meist im Kindes- oder frühen Erwachsenenalter. Die Folgen sind unter anderem Blindheit, Taubheit, Spastiken und eine zunehmende Bewegungsunfähigkeit, die oft schon innerhalb weniger Jahre zum Tod führt. Aufgrund der vielfältigen Ausprägung der Erkrankung wird sie oft als Multiple Sklerose verkannt. Da die Krankheit jedoch x-chromosomal vererbt wird, sind hauptsächlich Männer und Jungen, weniger die weiblichen Genträgerinnen betroffen. Bisher beschränken sich die Therapiemöglichkeiten hauptsächlich darauf, die Symptome zu lindern.

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