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11.03.2019 18:07

Innovation für Neugeborenen-Screening aus Klinikum St. Georg

Neuer Bluttest erkennt angeborene Immundefekte sofort

In Deutschland können alle Neugeborenen ab August 2019 auf angeborene Immundefekte untersucht werden. Der für das bundesweite Screening der seltenen Erkrankung erforderliche Bluttest wurde durch das ImmunDefektCentrum Leipzig (IDCL) am Klinikum St. Georg in Leipzig entwickelt. "Mit der Erweiterung des Neugeborenen-Screenings um diesen neuartigen Test werden angeborene Immundefekte sofort erkennbar sein", erklärt Dr. Iris Minde, Geschäftsführerin der Klinikum St. Georg gGmbH. Damit könne den Kindern mit schwerer T-Zell-Lymphopenie viel Leid erspart werden.

Die seltene Erkrankung, im Fachjargon als Servere Combined Immunodeficiency (SCID) bezeichnet, ist aufgrund ihres unspezifischen Krankheitsbildes besonders schwer zu diagnostizieren. Somit kann die entsprechende Therapie nicht oder zu spät eingeleitet werden. Schwerste Infektionen, Krankenhausaufenthalte und unzureichende Behandlungen sind eine Folge. Nicht selten sterben die Kinder bereits vor dem ersten Lebensjahr.

"Dass die wegweisende Methode nun endlich deutschlandweit in das Routine-Screening aufgenommen wird, ist für die betroffenen Kinder und deren Familien von unschätzbarem Wert und macht neue Hoffnung", so Barbara Klepsch, Ministerin für Soziales und Verbraucherschutz des Freistaates Sachsen, in Leipzig vor Journalisten. In Deutschland seien bisher lediglich rund zwei Prozent der Kinder mit Immundefekten diagnostiziert worden. "Durch die schnelle Gewissheit, die das Screening ermöglicht, können die Betroffenen nicht nur gerettet werden. Ihnen bleiben auch langwierige und kostenintensive Behandlungen erspart", sagte die Ministerin. Das Klinikum St. Georg in Leipzig habe sich mit dem IDCL-Forschungsprojekt als renommierter Gesundheits- und Forschungsstandort in Sachsen empfohlen und seine Kompetenz für internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit unter Beweis gestellt, so Staatsministerin Klepsch. Sie würdigte in diesem Zusammenhang die Kooperation mit dem Translationszentrum für regenerative Medizin der Universität Leipzig und dem Karolinska Institut Stockholm in Schweden.

Die Bluttests zur Diagnostik der Abwehrstörungen wurden unter Federführung von Prof. Michael Borte, Direktor des IDCL und Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum St. Georg erforscht und entwickelt. Im Rahmen des IDCL-Forschungsprojektes wurde die Methode seit 2012 bereits allen Müttern kostenlos angeboten, die ihr Kind im Klinikum St. Georg Leipzig zur Welt bringen. Die dafür erforderliche Technik war im Rahmeneiner so genannten Einzelförderung vom Freistaat Sachsen finanziert worden. Borte zufolge seien am Klinikum St. Georg seither insgesamt rund 9.000 Kinder entsprechend gescreent worden.

Immunologen sowie die Deutsche Selbsthilfe für angeborene Immundefekte Patientenorganisation e.V. (DSAI) fordern schon seit langem, das Neugeborenen-Screening um einen Bluttest für angeborene Immundefekte zu erweitern. Bisher wurden die Kinder nur auf Stoffwechsel- und Hormonkrankheiten untersucht. Mit der Empfehlung für die bundesweite Einführung des Immundefekt-Screening durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) war Ende November 2018 schließlich der entscheidende Durchbruch gelungen. Im Februar 2019 nahm der GBA die SCID-Tests gesetzlich in die Kinderrichtlinie auf. Das heißt, dass sich nunmehr alle auf diesem Gebiet tätigen Screening-Labore mit der entsprechenden Technik ausstatten, damit das erweiterte Neugeborenen-Screening ab August 2019 flächendeckend durchgeführt werden kann. Je Bundesland gibt es ein bis zwei solcher Speziallabore.

DSAI-Bundesvorsitzende Gabriele Gründl begrüßt die Erweiterung des Screenings: "Die möglichst frühe Diagnose ermöglicht den Betroffenen ein weitgehend normales Leben – ein Leben ohne schwere Infekte, zahlreiche Krankenhausaufenthalte, unzureichende Behandlung und die ständige Gefahr eines frühzeitigen Todes." Unbehandelt sterben diese Kinder innerhalb von ein bis zwei Jahren. Je früher die Diagnose gestellt und eine effektive Therapie (meist eine Stammzelltransplantation) eingeleitet wird, desto besser ist die Prognose der Betroffenen. Der Verein unterstützt betroffene Familien, treibt seit Jahren die Aufklärungsarbeit voran und hat die Einführung des neuen Tests von Beginn an unterstützt. 

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